Erstes Gesamtschulforum erfährt positive Resonanz – beengte Raumsituation, Renovierungsrückstände und mangelnde Digitalisierung im Fokus.

Lehrer, Schüler und Eltern versuchten diplomatischen Spagat zwischen ungeschminkter Wahrheit und realistischer Veränderung der Bedingungen an der Städt. Adolf-Reichwein-Gesamtschule in Zeiten knapper öffentlicher Kassen - Reaktionen verdeutlichen die Begrenztheit öffentlicher Handlungsspielräume und prognostizieren nur reduziert zeitnahe Veränderungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Schülern und Lehrern.

Trotz unmissverständlicher Äußerungen der Unzufriedenheit seitens aller Beteiligten wurde schnell der Tenor der Reaktionen deutlich: Bauliche und räumliche Missstände in unseren Bildungseinrichtungen können nicht, wie von Politikern oftmals geäußert, zügig behoben werden - und Forderungen im Bereich der Digitalisierung an Schulen bedürfen viel Geduld, weil allein Grundbedingungen, wie beispielsweise ein schnelles Netz durch die Verbindung mit Glasfaserkabel, nicht zeitnah verändert werden können. Dennoch war die Stimmung beim ersten Gesamtschulforum in der Städt. Adolf-Reichwein-Gesamtschule am Montagabend freundlich und konstruktiv.

In einer durch Schulleiter Frank Bisterfeld moderierten offenen Diskussionsrunde trafen sich am Montagabend nach dem langen Schultag zahl-reiche Schüler-, Eltern- und Lehrervertreter der Gesamtschule in der Mensa der Ganztagsschule mit der Leiterin des Schulamtes, Kerstin Kotzies, und dem Schuldezernenten der Stadt, Matthias Reuver, die sich redegewandt und diplomatisch den Fragen und Beschwerden zu Missständen stellten. Im Fokus des Gesprächs standen u. a. Themen, wie die knappe Raumsituation im Gebäude sowie die mangelnde mediale Ausstattung der Schule. „Will man den Anforderungen moderner Bildungsvorgaben gerecht werden und politischen Forderungen angemessen und für alle Beteiligten zufriedenstellend Rechnung tragen, bedarf es neben dem schulischen Engagement auch der weitreichenden finanziellen Unterstützung durch die Schulträger und das Land“, leitete der Schulleiter in die diskussionsfreudige Runde ein. Gerade in Zeiten notwendiger Differenzierung, auferlegt durch die Bildung von Inklusions-klassen, verstärkter Zuwanderung und daraus resultierender zusätzlicher Sprachbildung und -förderung sowie der Forderung nach individueller Abschlussorientierung müsse man gewährleisten, dass Methoden und Organisations-formen, wie kooperatives Lernen und zuweilen die Abspaltung kleinerer Lerngruppen, guten Unterricht ermöglichen, der individuelle Lösungen zulasse. Dies lasse die derzeitige Raum-situation in der Gesamtschule jedoch nicht zu, wie Elke Stüwe, Leiterin des Inklusionsteams bekräftigte. Gerade auch die Ausstattung der Fachräume sei desolat. Hier bezogen sich die Lehrer beispielsweise auf die eigentlich als Grundvoraussetzung bestehende Bereitstellung von funktionierenden Wasser- und Gasleitungen: „Ein Teil des Fachunterrichts im Chemie- und Biologieunterricht muss in den Klassenräumen stattfinden, ein Unding, wenn man Lehrplan-vorgaben nachkommen will.“

Besonders hervorgehoben wurde in dem Gespräch, dass in dem Gebäude, das 1991 fertiggestellt wurde, ein Renovierungsrückstau entstanden sei, unter dem die Arbeitsbedingungen von Lehrern und Schülern erheblich zu leiden hätten. Neben untragbaren Temperaturen im Sommer, in einigen Räumen wurden zwischen 40 und 50 Grad gemessen, tragen mangelnde Öffnungs- und Verdunklungsmöglichkeiten der Fenster dazu bei. „Dabei wurde uns von Bürger-meister Dzewas bereits zum 25-Jährigen Jubiläum der Schule eine Reparatur der Fenster zugesagt“, offenbarte Lehrer Rafael Urbasik, der bereits als Schüler die Schule besuchte, nicht ohne Groll. Er kennt die Arbeitsbedingungen an der Schule von beiden Seiten und konnte die Schüler der Schüler-vertretung nur unterstützen, die ihrerseits die mangelnden Lüftungs- und Heizmöglichkeiten monierten. „Viele der Kippfenster haben keine Einrast-Funktion“, das sei sehr gefährlich, da sie sich um 360 Grad drehten, erläuterte Dominik Trawer von der SV. „Durch die Billig-Renovierung werden diese Fenster einfach fest zugeschraubt.“ Gleichermaßen gäbe es für die Schüler keine Rückzugsorte zum Arbeiten, da die Mensa dafür zu laut sei, ergänzte SV-Sprecherin Christina Gravou. Obwohl beide Vertreter der Stadt die Beschwerden durchaus ernst nahmen, konnten sie keine schnellen Maßnahmen zusagen. Lediglich „kleinere Mängel“ könnten sofort behoben werden, so Schuldezernent Matthias Reuver.

Immerhin beginnen im April endlich die ersten Umbaumaßnahmen. In diesem ersten Bauabschnitt werden, ausgelöst durch Infrarot-Aufnahmen, die vor etwa zwei Jahren gemacht wurden, Teile der Außenfassade Süd zum unteren Schulhof gedämmt und mit neuen Fenstern versehen sowie eines der Lehrerzimmer renoviert. Hier entstehen erste Lehrerplätze, die die Arbeit in der Schule erträglicher machen sollen. „Das Gebäude ist in die Jahre gekommen. Die Lehrer verbringen aufgrund des gebundenen Ganztags einen Großteil ihrer Arbeitszeit in diesem Gebäude“, kommentierte der Didaktische Leiter Markus Ignatzek die derzeitige Situation, „Lehrer übernehmen hier – neben ihren alltäglichen Pflichten als Wissensvermittler und Erzieher – auch noch ganz andere Aufgaben: Sie streichen die Klassen, organisieren den Putz- und Mensadienst, waschen die täglich benutzten Handtücher – und besorgen dazu noch das Mobiliar, das ihnen aufgrund knapper Kassen durch den öffentlichen Finanzrahmen nicht zur Verfügung gestellt wird, aus eigener Tasche.“ Dennoch wackeln Tische, denn es mangelt an neuer Ausstattung. Gemeinsam mit dem Förderverein hat er in den letzten Jahren versucht, Löcher im Bereich der Schulhofgestaltung und hinsichtlich der Bereitstellung von Computern etc. zu stopfen. „Der Förderverein finanziert unter anderem auch die Angestellte, die zweitweise für die Betreuung der Pausentoilette sorgt, mit, um hygienische Bedingungen herzustellen“, ergänzte Frau Hanisch-Müller als Vorsitzende des Förder-vereins.

Zwar stellt der Bund durch das Projekt „Gute Schule 2020“ öffentliche Gelder zur Verfügung, diese werden aber in Lüdenscheid vorrangig zur Umgestaltung von Grundschulen genutzt. Seit der 2008 durch die Bezirksregierung durchgeführten Qualitätsanalyse sei „nicht das meiste passiert“, fasste Schulleiter Bisterfeld die Situation ernüchtert zusammen. Gleichzeitig, stellte er basierend auf den hohen Anmeldezahlen fest, sei der positive Zuspruch der Eltern in Bezug auf die Schulform richtungsweisend: „Wir mussten zum nächsten Schuljahr 32 Schüler ablehnen und weisen auch Anfragen, den Quereinstieg betreffend, dauerhaft ab, weil die Raumkapazitäten einfach nicht ausreichen.“

Aber auch die Mediengruppe meldete ihren Bedarf an, denn weder würden funktionsfähige Geräte, wie Laptops, Beamer etc. in ausreichender Stückzahl vorhanden sein noch sei ein hinreichender Internetanschluss verfügbar, sodass die von der Bundesregierung angestrebte Medienkompetenz trotz schulinterner Anlage eines neuen Medienkonzeptes nicht umgesetzt werden könne, so Pascal Hopff, Mitglied der Mediengruppe der Schule. Schuldezernent Reuver kommentierte diesbezüglich, dass es bundes-weit einen Investitionsstau in Milliardenhöhe gebe. In Lüdenscheid sei jedoch eine Studie in Auftrag gegeben worden, die eine konkrete Expertise möglich mache: „Diese Schule hat für uns Priorität.“ Die Stadt Lüdenscheid richte der-zeit eine IT-Planungsstelle ein, die es ermögliche, Planung, Unterricht und Inhalte zukünftig zu synchronisieren. Nach Rücksprache sei die Ein-richtung eines Glasfaserkabels zwar erst „in zwei Jahren“ möglich, die Stadt arbeite aber an einer Zwischenlösung, um Schülern und Lehrern die notwendige Recherche und wissenschaftliches Arbeiten zu erleichtern, so Kerstin Kotzies, Leiterin des Schulamtes. Tatsächlich müsse aber die Einrichtung besserer Netzwerke als Prozess betrachtet werden. Obwohl die Gegebenheiten an Schulen der geforderten Digitalisierung schon längst nicht mehr gerecht würden, müssten die Städte umdenken und Folgemittel bereitstellen, um Projekte auch langfristig betreuen und finanzieren zu können, was ohne größere Mittel schwierig sei. Schulleiter Bisterfeld bewertete die Zusage augenzwinkernd: „Da wollen wir die Stadt beim Wort nehmen, damit die Kollegen nicht mehr ihre persönlichen Handys zum Regeln der Abitur-Angelegenheiten nutzen müssen. Gerade um Chancengleichheit zu garantieren, müssen bildungsferne und sozial schwächere Familien unterstützt werden.“

Letztlich wurde an diesem Abend, der endlich einmal situationsbezogen die Gelegenheit zur Aussprache aller Parteien untereinander gab, deutlich, dass keine absehbare Lösung der genannten Probleme in Sicht ist. Wie immer stehen finanzielle Grenzen den politischen Forderungen und Versprechen entgegen, wenngleich die Beteiligten durchaus gesprächsbereit sind. Festzuhalten bleibt aber die doch eher ernüchternde Feststellung, dass Schule aufgrund von Investitionsstaus oftmals den verbalen Vorgaben deutlich hinterherhängt. „Wir sind sehr darum bemüht, unsere Schule als sauberes und ordentliches Umfeld zu gestalten sowie ein positives und ergebnisorientiertes Lernklima zu schaffen“, schloss daher der Didaktische Leiter Markus Ignatzek die Diskussion, „aber die Rahmenbedingungen dafür werden immer schwieriger – trotz aller Bereitschaft.“ Nun sind die Verantwortlichen am Zug …

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